Bürohaus Börse, Aktiengesellschaft in Berlin

 

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Auf der Aktie ist die gleiche Abbildung wie auf einer Ansichtskarte aus 1913

Die Gesellschaft

Die Gesellschaft wurde gegründet am 31.05.1912.

Zweck: Pachtung der in Berlin, Burgstr. 28-30, belegenen, „Bürohaus Börse“ bezeichneten Grundstücke sowie der angrenzenden Grundstücke

 

Die Gesellschaft hat nach ihrer Gründung das angrenzende Grundstück Burgstr. 27 von den Herzfeldschen Erben käuflich erworben. Die Gesellschaft besaß damit in der Burgstraße in Berlin einen Häuserblock von etwa 170 m Länge. Auf dem als „Bürohaus Börse“ bezeichneten Grundstück (gelegen zwischen Bahnhof Börse und der alten Börse) verpachtete das Unternehmen zwanzig Läden und etwa 300 Büroräume. Die gesamte Nutzfläche lag immerhin bei 16.500 m².

 

Neunzig Aktien der Gesellschaft kamen 1978 auf den Sammlermarkt; die Preise entwickelten sich positiv, wobei die tolle Gestaltung der Aktien sicherlich eine große Rolle spielte. Im Zuge der Spekulation um den

          Actien-Bauverein Passage und die

          Grundstücksaktiengesellschaft am Potsdamer Platz (Haus Vaterland)

hoffte man auch für die Bürohaus Börse AG auf eine entsprechende Preisentwicklung. Doch die Spekulation ging in diesem Falle nicht auf. Eigentümer des einzig erhaltenen Hauses (Burgstraße Nr. 27) war die Progress Film-Verleih. Die restlichen Grundstücke (Nr. 28-30) gehörten dem Land Berlin. Die Aktien werden sporadisch angeboten.

 

 

Die Burgstraße wurde zum Ende des 17. Jahrhunderts nach der am gegenüberliegenden Spreeufer zum damaligen Cölln gelegenen kurfürstlichen Burg (erbaut Mitte des 15. Jahrhunderts) benannt. Die Burgstraße verlief bis 1978 noch bis zur Mühlendammbrücke, wurde aber 1969/70 mit der vollständigen Arrondierung dieses Gebietes unterbrochen. Heute gibt es nur noch eine „Rumpfstraße“. An der anderen Spreeseite befindet sich seit Anfang des 20, Jahrhunderts die Museumsinsel – u.a. der Nationalgalerie.

 

 

Heute haben die IHK und die Börse Berlin ihren Sitz in Berlin-Charlottenburg, Hardenbergstraße Ecke Fasanenstraße 85.

 

Artikel von Karl-Michael Kruppa

Die Gründung der AG erfolgte am 31. Mai 1912. Initiatoren waren vier Herren namens Hirsch sowie die Rentnerin Anna Lewin. Das Aktienkapital wurde jedoch überwiegend von einem weiteren – also fünften - Herrn Hirsch sowie von einem Herrn Lewin gehalten. Die eigentlichen Gründer waren also wahrscheinlich nur vorgeschoben. Das Bürohaus Börse, das wohl nur so genannt wurde, weil es in unmittelbarer Nähe der Börse lag, umfasste die Grundstücke Burgstraße 27-30. Nur das Grundstück Nr. 27 gehörte direkt der Bürohaus Börse AG, die anderen einzelnen Grundstücksgesellschaften wurden mehrheitlich von der Bürohaus Börse kontrolliert.

 

Die gesamte Länge der Straßenfront mit 20 Läden betrug ca. 170 m. Die besagten Immobilien boten Platz für 5.000 qm Geschäftsräume. In den übrigen Stockwerken waren etwa 300 Büros untergebracht, die vermietet werden sollten, teilweise sogar möbliert. Als Mieter waren hauptsächlich Börsenmakler und an der Börse tätige Firmen vorgesehen. Der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg der Bürohaus Börse AG hing unmittelbar von der Börse ab. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg – der Berliner Aktienmarkt wurde bei Kriegsbeginn geschlossen und erst im Oktober 1917 wieder eröffnet -, blieben viele Büroräume unvermietet.

Kurze Inflationsblüte

Die AG schrieb von Anfang an rote Zahlen. An Dividendenzahlungen war nicht zu denken. Um einigermaßen über die Runden zu kommen, mussten alle Grundstücke hypothekarisch belastet werden. Nur in der Zeit zwischen dem Zusammenbruch des Kaiserreiches (1918) und dem Beginn der Hochinflation (1923) stand die AG in einer kurzen Scheinblüte. Dies war die zeit, als jedermann versuchte, sich Sachwerte und damit auch Aktien zu verschaffen. In der Berliner börse musste zu dieser zeit ein vierter Börsensaal in Betrieb genommen werden. Die Besucherzahl lag bei über 6.000 Personen.

 

Jetzt waren also alle Büros vermietet, und es konnte sogar eine Dividende gezahlt werden. Mit dem Ende der Inflation kam jedoch der Katzebnjammer. In der nun einsetzenden Deflation mussten die in der Infaltion gekauften Aktien vielfach wieder abgestoßen wird, um an Geld zu kommen. Die Börse erlebte einen erheblichen Rückgang, und es hagelte Pleiten.

 

Das Bürohaus Börse verlor viele seiner Mieter. Der Vorstand wollte deshalb die Grundstücke verkaufen und den Geschäftsbetrieb einstellen. Nach vielen Bemühungen glaubte das Unternehmen im Dezember 1924, einen solventen Käufer gefunden zu haben. Mit einem Berliner Kaufmann wurde ein notarieller Vertrag über M 2.750.000 einschließlich Übernahme von M 4 Mio. Grundschulden abgeschlossen. Das Geschäft platzte jedoch, weil kurz danach über das Vermögen des Käufers das Konkursverfahren eröffnet wurde.

Schwierige Jahre, bitteres Ende

Alle Hoffnungen auf eine verbesserte Geschäftslage wurden mit dem „Schwarzen Freitag von Berlin“ am 13. Mai 1927 zunichte gemacht. Die auf Krediten künstlich aufgebaute Konjunktur brach zusammen. Die Börse erlebte außerordentlich hohe Kursverluste. Nur knapp zweieinhalb Jahre später, m 24. Oktober 1929, folgte der Super-Börsenkrach in New York mit Kurseinbrüchen in einem bis dahin unbekannten Ausmaß. Dies führte zur Weltwirtschaftskrise, die Deutschland besonders hart traf.

 

Am 31. Juli 1931 wurde die Börse wegen der durch die Zahlungseinstellung der Danatbank ausgelösten Benkenkrise geschlossen. Diese Schließung dauerte mit einer kurzen Unterbrechung bis zum 12. April1932.

 

Im Dezember 1926 unternahm der Vorstand der Bürohaus Börse AG einen verzweifelten Versuch, durch Umschuldung das Ruder noch einmal herumzuwerfen. Neuer Hauptgläubiger wurde die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank. Für ein Darlehen von 2 Mio. Goldmark (GM) zu 8,5 % Zinsen wurden sämtliche Grundstücke sowie das gesamte Mobiliar verpfändet. Doch auch dieser Versuch schlug fehl. Im Januar 1932 bescheinigte das Amtsgericht Berlin-Mitte der Bürohaus Börse AG, dass für die Jahre 1929 und 1930 durch die Steuerbehörde Vermögenslosigkeit und Einkommenslosigkeit festgestellt ist“.

 

Am 28. September 1933 wurde die Zwangsverwaltung für alle vier Grundstücke angeordnet. Ein am 18. März 1936 von der Bürohaus Börse AG und den mit ihr verbundenen Grundstücksgesellschaften gestellter Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens wurde abgelehnt, weil eine den Kosten des Verfahrens angemessene Masse nicht vorhanden sei. Am 11. März 1937 wurde die AG von Amts wegen gelöscht. Neuer Eigentümer der Grundstücke wurde am 23. Juli 1936 im Wege der Zwangsversteigerung die Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank.

Die Geschichte geht weiter

An dieser Stelle endet die Geschichte eigentlich. Doch was wurde aus dem Grundbesitz? Diesen verkaufte die Bank am 9. November 1936 für RM 3.080.000 an die Industrie- und Handelskammer Berlin. Diese wollte dort nach Abriss des alten Gebäudes unter Einbeziehung der Grundstücke Neue Friedrichstrasse 47 – 50 ein neues Kammergebäude errichten. Hierfür waren Baukosten von RM 3,5 Mio. veranschlagt, dem Abriss mit anschließendem Neubau schien nichts im Wege zu stehen.

 

Doch dann erfuhr der Architekt Albert Speer von diesem Plan und erhob sofort Einspruch. In einem  internen Besprechungsvermerk des Wirtschaftsministeriums vom 3. Februar 1937 heißt es hierzu: „Herr Speer sagte, dieser Neubau sei auf einem Grundstück geplant, das nach dem vom Führer gebilligten Plan über die Neugestaltung Berlins für Museumsbauten in Aussicht genommen sei. Der Führer habe Herrn Speer beauftragt, den Neubau der Kammer an dieser Stelle zu unterbinden“.

 

Und dabei blieb es, alle Proteste der Kammer, die schon erhebliche Planungskosten aufgewendet hatte, halfen nicht. Immerhin bekam die IHK ersatzweise ein anderes Gelände an der Wilhelmstraße zugewiesen.

 

Am 21. Juni 1938 wird der Peußische Staat neuer Eigentümer der Grundstücke, ohne jedoch dort Abrissmaßnahmen einzuleiten. Dies besorgen dann die alliierten Bomber. Von dem gesamten auf der Aktie abgebildeten Häuserblock blieb nur das Haus Burgstraße Nr. 27 erhalten, der ehemalige Firmensitz der Bürohaus Börse AG.

 

 

Literatur- und Quellennachweis:

Kruppa, Karl-Michael

Artikel im HP-magazin 10 / 1993 sowie Der Aktiensammler 11 / 1993

 

Landesarchiv Berlin (Hrsg.)

Edition Gauglitz

Straubes Übersichtsplan von Berlin aus dem Jahr 1910

 

Landesarchiv Berlin und Beuth Hochschule

HistoMap Berlin, histomapberlin.de

 

Peus, Dr. Busso (Hrsg.)

Der Reichsbankschatz, Auktionskataloge Nr. 1 bis 5 aus 2003, 2004/2005, 2006, 2008

 

Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz (Hrsg.)

Die städtebauliche Entwicklung Berlins seit 1650 in Karten