Deutsche Eisenbahnbau-Gesellschaft
Link zu Stadt- und Lageplänen sowie Bildern
Link zu Otto Glagau, Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin
Die Gesellschaft
Die Gesellschaft wurde am 15.09.1871 als eine der ersten Eisenbahnholdings vom Geheimen Oberregierungsrat Hartwig gegründet. Zweck war in erster Linie der Eisenbahnbau. Das Grundkapital aus der ersten Emission im Jahr 1872 lag bei 15.000.000 Mark. Die zweite Emission 1873 in Höhe von ebenfalls 15.000.000 Mark wurde zum Flop, gezeichnet wurden lediglich 3.416.400 Mark.
Die Unternehmungen waren nicht sonderlich erfolgreich, sämtliche Transaktionen auf dem Immobilien- und Wertpapiermarkt wurden mit Verlusten abgeschlossen. Der Kurswert der Aktie entwickelte sich entsprechend von 105 % im Jahr 1871 bis auf 0 % bzw. plus (!!) 4 % im Jahr 1881. Eine Dividende wurde nie ausgeschüttet. Das lag sicherlich auch daran, dass von den Gewinnen (wahrscheinlich in erster Linie nur Buchgewinne) zuerst 5 % Kapitalzinsen, 5 % in einen Reservefonds und schließlich 20 % (!!) an Tantiemen gezahlt wurden.
Die Gesellschaft war an den folgenden Eisenbahnunternehmen beteiligt:
Saal-Unstrut-Eisenbahn-Gesellschaft
Lemförda-Bergheimer Eisenbahn
Stadtbahn und Südwestbahn in Berlin
Niederrheinisch-Westfälische Eisenbahn,
Holländisch-Westfälische Eisenbahn,
Oder-Seilschleppschifffahrt.
Allerdings besaß die Gesellschaft ein umfangreiches Portfolio an innerstädtischen Grundstücken und Gebäuden. Sie besaß u.a. Immobilien in den folgenden Straßen:
Koppenstraße,
Markusstraße,
Krautstraße, an der
Alexanderstraße sowie der
Friedrichstraße und der
Dorothenstraße.
Allein, sie konnte diese an sich gut gelegenen Grundstücke nicht gewinnbringend verwerten, die meisten ihrer Geschäfte brachten Verluste. So wurden im Rahmen der Zwangsversteigerung (1881) sieben Grundstücke mit einem
Buchwert von immerhin 5.054.250 Mark mit
Hypothekenschulden von 2.436.150 Mark für
insgesamt 2.235.300 Mark
versteigert.
Die Unterbilanz der Gesellschaft erhöhte sich 1881 namentlich durch diese Subhastation (Zwangsversteigerung) auf 14.955.638 Mark. Der Direktion blieb nichts anderes übrig als Konkurs anzumelden, der dann am 17.11.1882 eröffnet wurde – 10 verlustreiche Jahre gingen insbesondere für die Aktionäre zu Ende. Der Aktienführer von 1881 schreibt zur Deutschen Eisenbahnbau-Gesellschaft: "Dieser Gesellschaft, errichtet nach Plänen des Geh. ORR Hartwich ist eigentlich alles misslungen". Eine derartige "Karriere" war für ein Unternehmen aus der Gründerzeit allerdings nicht untypisch.
Auch das Grundstück, auf dem heute das Reichstaggebäude steht, wurde bebaut - aber erst nach dem Konkurs der Gesellschaft. Das Grundstück war der letzte Vermögenswert der Gesellschaft. Dieses Areal an der damaligen Sommerstraße 7 - 9 (seit 1999 Friedrich-Ebert-Platz) erwarb die Gesellschaft ursprünglich für 2.740,000 Mark; im Rahmen der Zwangs-versteigerung ging das Grundstück für ganze 995.100 Mark an die Gesellschaft „Königlicher Seehandel“.
Eindeutig ist die Entwicklung des Areals an der Sommerstraße 7 – 9 nicht nachzuvollziehen. Das Grundstück wurde In den 1840er Jahren dem Grafen Raczynski von König Friedrich Wilhelm IV kostenlos mit der Bedingung überlassen, dass dieser seine Bilder der Öffentlichkeit zugänglich macht; das erfolgt seit 1845 im Palais Raczynski. Nach dem Tod des Grafen verkauften seine Erben das Grundstück 1874. Aber anscheinend nicht – wie in Wikipedia ausgeführt – direkt an das Land Preußen, sondern etwas sehr überteuert an die Deutsche Eisenbahn-Baugesellschaft. Zumindest ist in der letzten Bilanz dieser Gesellschaft (Quelle: Jahrbuch 1883 der Berliner Börse) ausführlich dargestellt, wie und zu welchem Preis das Grundstück bilanziert wurde. Erst diese Gesellschaft musste im Rahmen der Insolvenz das Grundstück für rund 1/3 des Kaufpreises zum Bau des Reichstages zur Verfügung stellen. Ein gutes Geschäft für die Erben des Grafen Raczynski sowie den Preußischen Staat … und ein schlechtes für die Aktionäre.
Der Bau des Reichstaggebäudes wurde wenige Wochen später vom Reichstag genehmigt und zwischen 1884 und 1894 realisiert (Link). Auch wurde bereits auf einem „Situations-Plan von Berlin“ von Herrn Sineck, Major a.D., „Vervollständigt durch die Städtische Plankammer im Juli 1882“ das Reichstagsareal ausgewiesen. Aber konnte bzw. musste das der Konkursverwalter, Herr Rechtsanwalt Kempner, Berlin bei der Zwangs-versteigerung des Areals im Jahr 1881 bzw. bei der Eröffnung des Konkurses Ende 1882 ahnen oder gar wissen?
Literatur- und Quellennachweis:
Jahrbuch 1883 der Berliner Börse (Link)
Lais, Sylvia / Hans-Jürgen Mende (Hrsg.)
Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH / Luisenstädtischer Bildungsverein e.V.
Lexikon Berliner Straßennamen
Landesarchiv Berlin und Beuth Hochschule
HistoMap Berlin (Link)
OpenStreetMap, (Link)
Wikipedia, Palais Raczynski