Spar- und Siedlungsgenossenschaft "St. Joseph" e.G.m.b.H.

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Die Genossenschaft

 

Zweck war der Bau einer katholischen Siedlung in Berlin-Tegel.

 

Die Genossenschaft wurde am 25.11.1919 als Reaktion auf die antikirchliche Politik des Kulturministers Adolph Hoffmann (Link) gegründet. Gedanke war, die Katholiken müssten in Siedlungen näher zusammenrücken, um dort ihre konfessionellen Einrichtungen (Schule, Kirche, Krankenhaus, Kinder- und Altenheime usw.) zu schaffen und zu unterhalten. Ziel war, das Wohnungselend zu beseitigen und der Gedanke, die Familien herauszuführen aus den licht-, luft- und sonnenlosen Mietskasernen, hinein in gesunde Wohnungen. Das Leben christlicher Familien sollte wieder lebenswert sein. Durch Tierhaltung und die Bearbeitung des eigenen Gartens sollten die Familien nicht nur ihre Ernährung besser gestalten, sondern auch der Freizeitwert eines Häuschens mit Garten wurde bereits damals gesehen.

 

1921 Kauf des ersten Grundstücks in Tegel, Hermsdorfer Straße (jetzt Waidmannsluster Damm) durch die Baugenossenschaft.

1927 Ankauf des Kirchengrundstücks vom Gesamtverband der katholischen Kirchengemeinden, Groß Berlin.

1928 wurde erreicht, dass die Straßen der Siedlung Namen erhielten, die den katholischen Charakter erkennen ließen.

1932 Grundsteinlegung zur St. Joseph-Kirche (1933 Einweihung, 1943 Zerstörung, 1950 Wiederaufbau).

2004 Fusion zur Gemeinde Herz Jesu mit der Gemeinde St. Marien.

Aus der Gemeinde St. Joseph stammt der im Jahr 2000 verstorbene Fuldaer Bischof Johannes Dyba.

 

Die von Tegeler Bauern erworbenen und später von den Siedlern bebauten Grundstücke lagen zwischen dem Waidmannsluster Damm (Nordseite),

Liebfrauenweg,

Moorweg,

Kettelerpfad und als Abzweig der

Hieronymusweg.

 

Die einzelnen Grundstücke von jeweils rd. 1.000 m² wurden von den Siedlern im Rahmen des Programms „Kleinkinder in Luft und Sonne“ bebaut, um eine gewisse Eigenversorgung mit Lebensmitteln sicherzustellen. Die Siedler wurden damals verpflichtet, Kleinvieh zu halten und Gemüse, Obst anzubauen. Die heutigen Ziergärten in diesen Siedlungen waren nicht zugelassen. Das wurde nach dem 1. Weltkrieg in vielen Randgemeinden Berlins (in den sogenannten Stadtrandsiedlungen) praktiziert. Die Häuser waren mit rd. 85 m² für heutige Verhältnisse recht klein Die Grundstücke selbst wurden in vielen Fällen nach dem 2. Weltkrieg geteilt; die dadurch entstandenen Hammergrundstücke wurden zusätzlich bebaut.

 

Als Sicherheit für die mir vorliegende Schuldverschreibung vom 11. Februar 1930

über 100.000 RM, aufgeteilt in 1.000 Stücke á 100 RM

wurden auf 20 Grundstücken in Berlin-Marienfelde

Grundschulden eingetragen, weil die Genossenschaft an 20 potenzielle Siedler entsprechende Forderungen erwartet hatte, also für jedes Grundstück 2.000 RM. Treuhänder der Genossenschaft war der Rechtsanwalt Hans Surholt. Die mir vorliegende Schuldverschreibung Nr. 100 wurde auf das Bischöfliche Ordinariat, Berlin ausgestellt.

 

Die Grundstücke der Genossenschaft in Berlin-Marienfelde wurden aber kurz nach Ausgabe der Schuldverschreibungen von der am 17.09.1930 gegründeten

Gemeinnützigen Baugesellschaft Mariengarten AG (Link)

gegen eine Vergütung von 240.000,00 RM übernommen.

 

Diese AG wurde u.a. von der Spar- und Siedlungsgenossenschaft „St. Joseph“ eGmbH gegründet – sicherlich auch zur Verwertung der Grundstücke, die am anderen Ende Berlins in Marienfelde gelegen waren. Der Ertrag war deutlich höher als der Wert, der den Schuldverschreibungen zu Grunde lag.

 

Die Schuldverschreibungen aus dem Jahr 1930 dürften somit obsolet geworden sein. Die damaligen Eigentümer der Genossenschaftsanteile waren mit der Entwicklung sicherlich nicht unzufrieden. Die Genossenschaft scheint danach auch keine weiteren Aktivitäten entwickelt zu haben. Der ursprüngliche Zweck der Genossenschaft, der Bau einer katholischen Siedlung in Berlin-Tegel, war erfüllt. Über die Genossenschaft oder eine Nachfolgengenossenschaft habe ich nichts weiter gefunden; auch in der Übersicht der Genossenschaften des Verbandes der Wohnungsgenossenschaften in Berlin vom 28.11.1957 ist sie nicht mehr aufgeführt.

 

 

Stadtpläne und Bilder

 

Link zu Google Maps

Link zur Kirche St. Joseph in Berlin-Reinickendorf (Tegel)

 

Literatur- und Quellennachweis

Bogon, Winfried

(digitaler Reprint November 2005, 2008 - Verlag für digitale Publikationen)

Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften, 1914/15 + 1925 + 1932 + 1943

 

Gutowski, Vladimir (verantwortlich für den Inhalt);

Auktionshaus Gutowski GmbH (Hrsg. + Verlag)

verschiedene Auktionskataloge,

SUPPES 2008/09 ff. Bewertungskataloge für Historische Wertpapiere, Deutschland vor / nach1945

SUPPES Special, Übersicht aller im Reichsbank-Schatz vorhandenen Papiere

 

Landesarchiv Berlin und Beuth Hochschule

HistoMap Berlin, histomapberlin.de

 

Peus, Dr. Busso (Hrsg.)

Der Reichsbankschatz, Auktionskataloge Nr. 1 bis 5 aus 2003, 2004/2005, 2006, 2008