Deutsch-Holländischer Actien-Bauverein
Die Gesellschaft
Die Gesellschaft wurde 1872 gegründet und bereits 10 Jahre später wieder aufgelöst.
Die Gründung der Gesellschaft erfolgte durch die Preussische-Hypotheken-Versicherungs-Actien-Bank, der Firma Wertheim & Gompertz aus Amsterdam sowie sieben weiteren Personen, um ein Areal von ca. 434 Morgen (1.085.000 m²) für den Preis von 5 Mio. Thalern von dem Rittergutsbesitzer Klau zu erwerben. Das gesamte Gründungskapital floss in ein gerade mal für 1,5 Mio. Thaler von Herrn Klau zusammengekauftes Baugrundstück in Prenzlauer Berg, damals noch ein Vorort im Nordosten von Berlin, heute ein Ortsteil von Pankow (Link). Ein derart unverschämter Griff in die Kasse konnte nicht gut gehen. Als dies öffentlich gemacht wurde, flogen bereits wenige Monate nach der Gründung auf der Generalversammlung am 23.03.1873 die Fetzen, der Aufsichtsrat war tief gespalten, die Mitglieder bekriegten sich untereinander (s.u. bei Otto Glagau). Die Bilanz wurde nicht genehmigt und dem Aufsichtsrat keine Entlastung erteilt. Der Kurs war inzwischen auf 14 % abgesackt.
Vorsitzender des AR war Justizrat Gustav Wolff, Direktor der Preussischen-Hypotheken-Versicherungs-Actien-Bank. Die Ablehnung des Antrages, den Rittergutsbesitzer Klau in den Aufsichtsrat aufzunehmen, führte in der Generalversammlung am 23.03.1875 zu erheblichen Auseinander-setzungen. Hinzu kam, dass schon 1873 parallel zum Beginn der ersten Bautätigkeiten der große Gründerkrach (Link) die europäische Wirtschaft erschütterte. Die Gesellschaft konnte zwar noch bis 1875 ihre Tätigkeit aufrechterhalten, musste dann aber 1875 im „großen Krach“ (Behrendt / Malbranc) wie etliche andere Baugesellschaften Konkurs anmelden Im Jahre 1882 wurde die Auflösung der Gesellschaft beschlossen. Viele Menschen, die Aktien des Bauvereins erworben hatten, verloren ihr Kapital.
Während die damaligen Terraingesellschaften in vielen Fällen allein das Gelände aufkauften, den Bau in Zusammenarbeit mit der städtischen Aufsichts- und Planungsbehörde vorbereiteten, um es schließlich an einzelne Bauunternehmer und Bauherren zu verkaufen, ging der Deutsch-Holländische Actien-Bauverein einen Schritt weiter. Die Gesellschaft baute selbst und zwar in einer bis dahin in Berlin unbekannten durchrationalisierten Produktionsweise. So wurde auf dem Gelände zwischen
Dunckerstraße und
Prenzlauer Allee
ein großes Fabrikgebäude, „die Spinne“, errichtet, in dem alle Holz- und Eisenelemente für die Bauten vorgefertigt wurden (z. B. Parkettelemente). Auf dem Gelände des heutigen
Helmholtzplatzes
wurde eine eigene Ziegelei erbaut, die den vor Ort gewonnenen, aber mit auswärtigem Ton besserer Qualität verschnittenen Lehm verarbeitete. Nach Angaben einer zeitgenössischen Architektenexkursion soll die Kapazität der Ziegelei bei 60.000 bis 80.000 Ziegel pro Tag gelegen haben. Der Hügel über den Ruinen der Ziegelei war der erste Trümmerberg Berlins.
Durch das Zusammenfassen aller Gewerke in einem Produktionsprozess war der Deutsch-Holländische Actien-Bauverein das erste Unternehmen, das versuchte, den Hausbau zu industrialisieren.
Die zwischen 1873 und 1876 in Angriff genommenen Bauprojekte umfassten das Gebiet
Weissenburger Strasse (heute: Kollwitzstraße),
Treskowstrasse (Knaackstraße),
Franseckystrasse (Sredzkistraße) und
Hochmeisterstrasse (Husemannstraße)
Wörther Platz (Kollwitzplatz)
Um die Parzellen auf den Flächen des Actien-Bauvereins günstiger zu gestalten, wurde der ursprüngliche Bebauungsplan auf Intervention der Gesellschaft abgeändert. Auf diese Weise entstand der Wörther Platz / Kollwitzplatz. Über die genaue Zahl der fertiggestellten Häuser liegen keine eindeutigen Angaben vor. Gesichert ist, dass rund um den Platz 34 Häuser fertiggestellt werden konnten. Der Wörther Platz selbst war nach dem Zusammenbruch der Gesellschaft zehn Jahre lang bis ca. 1885 „eine Sandwüste mit einer Oase von elenden Bäumen in der Mitte“ (Berliner Heimatforscher Otto Behrendt und Karl Malbranc).
Die Gesellschaft baute aber immerhin u.a. die Häuser der heutigen Kollwitzstraße 69 - 79 (damals Weissenburger Straße 56 – 61) sowie in der Weissenburger Straße 25, später # 22, heute: Kollwitzstraße 52 in eigener Regie.
In den Bauakten für das Haus Weissenburger Strasse 22 fand sich auch eine Bauzeichnung für ein „Abtrittsgebäude“ für gleichzeitige „Geschäfte“ von drei + einer (Pissoir) Personen auf dem Hof mit einer direkt darunter befindlichen Grube (Link). Damals waren diese Toiletten auf dem Hof Usus. Das war auch bedingt durch die fehlende Kanalisation und führte sicherlich zu anregenden Kontakten der Hausgemeinschaft im Hinblick auf die Nutzung und Reinigung dieser Gemeinschaftstoilette und darüber hinaus der Reinigung der Treppenhäuser, Flure und dergleichen. Hauswarte oder eine Concierge gab es in diesen Häusern sicherlich nicht. Allerdings gab es über die Stadt verteilt viel Badehäuser. Im Stadtplan von Berlin und Umgebung aus 1910 ist in unmittelbarer Nähe des Haus Weissenburger Strasse eingezeichnet, dass zwischenzeitlich ein Wasserwerk errichtet wurde. Im Jahr 1893 wurde bereits der Anschluss an die Kanalisation beantragt. Außerdem wurde im Jahr 1897 ein Antrag auf Genehmigung einer Duscheinrichtung bzw. Badestube gestellt.
Otto Glagau, Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin
Unter dem Aushängeschild, zu colonisieren, für die untern und mittlern Stände billige Wohnungen herstellen zu wollen, etablierten sich noch zahlreiche Baugesellschaften, von denen wir einige hier folgen lassen:
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Deutsch-Holländischer Bauverein. Gründer resp. Aufsichtsräthe: Wertheim & Gompertz in Amsterdam, Rittergutsbesitzer Klau, Dr. Otto Hübner, Dirctor Sulzer, Geh. Oberfinanzrath A. Geim , Martin Frege, Justizrath Gustav Wolff, Rechtsanwalt Munckel, Dr. Eduard Wiss (s.a. Deutscher Central-Bau-Verein). Für das von Gutsbesitzer Klau zusammengekaufte „Bauterrain“ wurde die Kleinigkeit von 5 Millionen Thaler bezahlt. Nach einer 1873 erschienenen Broschüre, sollen die Gründer 3 ½ Millionen Thaler verdient haben. Wir glauben aber, dass es mehr gewesen ist. In der Generalversammlung am 23. März d. J. (1876) zeigte sich der Aufsichtsrath in zwei Heerlager gespalten, angeführt von Herren Justizrath Wolff und Rechtsanwalt Munckel, die einander scharf bekriegten. „ Hie Wolff! Hie Munckel!“ scholl es wild durcheinander; und der Gutsbesitzer Klau, der sich noch im Besitz von 1,900,000 Actien befand, kam hart in´s Gedränge. Die vorgelegte Bilanz, welche mit 126,000 Thaler Verlust abschliesst (wir schätzen sie höher!), wurde nicht genehmigt, und dem Aufsichtsrath keine Decharge ertheilt. - Später haben sich die Parteien geeinigt, und Herr Klau gab die Hälfte seiner Actien im Nennwerthe von 950,000 Thalern „bedingungslos“ zurück. - Cours ca. 14.
Wie schon mehrfach betont, bauten die Baugesellschaften nur dem Namen nach; und zu bauen, war auch nie ihre eigentliche Absicht. Sie gründeten und handelten mit Baustellen. Seit dem „Krach“ liegt dieser Schacher darnieder, und wir hoffen, für immer. Nur eine unverhältnismässig geringe Anzahl von Wohnungen ist hergestellt, und diese Wohnungen sind nicht billig, sondern theuer. An und für sich theuer, wegen der grossen Selbstkosten; und doppelt theuer mit Rücksicht auf die entfernte Lage (von Berlin aus). Die „Colonisation“, für welche so viel Reclame gemacht wurde, hat keinen Anklang gefunden, hat sich überhaupt nicht als Bedürfnis erwiesen. Selbst wenn die Communication bestünde, die nicht besteht - Pferde- und Locomotivbahnen - wäre das Wohnen in so weiter Entfernung für die arbeitenden Classen zu zeitraubend und zu kostspielig. Es thut aber auch gar nicht noth, es bietet sich in der Stadt selber noch zureichendes Unterkommen...........
Literatur - und Quellennachweis
Glagau, Otto;
Verlag von Paul Frohberg, Leipzig 1876;
Antiquariat Wilhelm Hohmann, Stuttgart 1996 (Reprint);
Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin
Christoph Radke, Nicolaus Schmidt
Geschichte des Hauses Kollwitzstraße 52, ansehen !! - Link
Landesarchiv Berlin und Beuth Hochschule
HistoMap Berlin, histomapberlin.de
Scharnhorststraße 25, 10115 Berlin – Webseite www.pharus.eu
Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.);
Ernst & Sohn, Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH, Berlin, 1995
Stadt Haus Wohnung – Wohnungsbau der 90er Jahre in Berlin
Wikipedia - Link
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