Berliner Nordend - Actien-Gesellschaft

 

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Die Gesellschaft

Die Gesellschaft war eine der High-Flyer, die im August 1872 gegründet und bereits 2 1/2 Jahre später, am 13.02.1875 ihre Liquidation beschließen musste. Um die Aktien interessant zu machen, wurde in 1872 noch eine Dividende von 22 % ausgeschüttet. Das hätte eigentlich zum Nachdenken führen müssen. Im Jahre 1874 wurde bereits ein Verlust von 31.200 Thaler ausgewiesen.

 

Gründer: A. Lilienhain (AR), Dr. Max Mattner (Direktor, beide unterzeichneten die Aktien), Carl Böhm, Carl Stiller, Rechtsanwalt Lorek, Hugo Vetter (Direktor und späterer Liquidator).

 

Nordend war zuvor Kaiserliches Manövergebiet. Das Grundstück der Gesellschaft mit einer Größe von ca. 740.000 m² - ziemlich in der Mitte von Rosenthal, Französisch Buchholz, Schönholz und Niederschönhausen in „schönster Sandfläche“ gelegen – war nicht unbedingt ein Renner für die Berliner Häuslebauer. Mittelpunkt der neuen Siedlung sollte ein kreisrunder Platz an der Kastanienallee Ecke Birkenallee sein. Die Gesellschaft hatte lediglich ein Restaurantgebäude und zwei Villen vorzuweisen.

 

Im Jahre 1876 berichtete die Vossische Zeitung: Der Vorsitzende des Aufsichtsrates der „Allgemeinen Bau- und Handelsbank“ in Berlin Dr. Max Mattner … ist am Sonnabend verhaftet worden. Derselbe war auch Aufsichtsrathsmitglied der inzwischen aufgelösten „Berliner Vereinsbank, …. der „Berliner Nordend-Actien-Gesellschaft und …“.

 

Hintergrund war, dass Dr. Mattner Aktienverkäufe teilweise nur vorgetäuscht und dies mit Bankdarlehen einfach selbst erworben hatte.

 

Aber sein Verteidiger führte bei Gericht damals aus, dass nirgendwo im Gesetz stehe, dass der „Erste Zeichner“ die Zeichnung selbst leisten müsse, das könne auch ein Anderer tun … und das hat Herr Mattner freundlicherweise für verschiedenen Mitzeichner getan. Scheinzeichnungn und fingierte Einzahlungen waren bei den Gründungen der Schwindelperiode in den 1870er Jahren keine Ausnahme. Herr Mattner wurde jedenfalls in drei Instanzen  freigesprochen.

 

Wegen anderer Schwindelgeschäfte wurde er dann aber doch noch verurteilt … obwohl er sich inzwischen Dr. Max Freiherr von Bibra nannte. Den Titel verlieh ihm die Republik San Marino.

 

Trotz allem gab es in Nordend im Jahre 1875 bereits mehr als 100 Einwohner, 25 Jahre später waren es immerhin 800 Bewohner.

 

Ein auf dem Areal vorgesehener zentraler runder Platz bekam eigentlich nie seine geplante Bedeutung. Noch heute ist an der Ecke Kastanienallee / Birkenallee der runde Straßenverlauf zu erkennen. Allerdings wurde die Birkenallee in den 1920er Jahren verkürzt und endete an der Kastanienalle. Somit entfiel die Platzsituation. Bis dahin hieß der Platz Kronprinzenplatz. Namensgeber war Kronprinz Friedrich Wilhelm Viktor August Ernst - * 1882, + 1951.

 

Nordend liegt seit 1920 in den Ortsteilen Rosenthal und Nieder-schönhausen im Bezirk Pankow von Berlin. Den Ortsteil gibt es zwar nicht mehr, wohl aber die Nordendstraße (Link) parallel zur Kastanienallee. Von der ursprünglichen Planung im Verkaufsprospekt ist nichts mehr zu erkennen. Die Nordend"straße" ist zu einem Großteil eine Sand-Buckelpiste als Zufahrt zu Kleingärten. In diesem Bereich befährt man die Nordendstraße tunlichst mit einem Geländewagen.

 

Deutlich erfolgreicher war die Terrain-AG Nieder-Schönhausen (Link), die allerdings erst Anfang des 20. Jahrhunderts das östlich gelegenen Areal bebaut hat.

 

Literatur- und Quellennachweis

110

Glagau, Otto;

Verlag von Paul Frohberg, Leipzig 1876;

Antiquariat Wilhelm Hohmann, Stuttgart 1996 (Reprint);

Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin

 

210

Lais, Sylvia / Hans-Jürgen Mende (Hrsg.)

Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH / Luisenstädtischer Bildungsverein e.V.

Lexikon Berliner Straßennamen

 

300

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