Berlin-Charlottenburger Bauverein Actien-Gesellschaft

 

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Emission vom 01.04.1872

Das Papier wurde persönlich von JAW Carstenn (Link) als Aufsichtsrat unterzeichnet.

 

 

Die Gesellschaft

 

Die Gesellschaft wurde am 09.03.1872 gegründet.

Der Zweck war die Parzellierung von etwa 900 Morgen (2,25 km²) Bauland bei Deutsch-Wilmersdorf und am Grunewald. Das Gebiet gehörte damals zum Landkreis Teltow und wurde erst 1920 offiziell nach Berlin eingemeindet.

 

Das Gelände der Gesellschaft lag

am Kurfürstendamm zwischen dem heutigen Adenauerplatz im Osten sowie dem Bahnhof Halensee, Rathenauplatz, Lunapark im Westen und

zog sich nach Süden an der Stadtbahn (heute: S-Bahn)

über den Hohenzollerndamm bis hin

zum südlichen Teil der Bundesallee, dem Cosimaplatz / Friedrich-Wilhelm-Platz, einem Teil der späteren „Carstenn-Figur“ in Wilmersdorf, Friedenau.

Auf dem Areal sollte eine Villenkolonie errichtet werden. Das Gelände rund um den S-Bahnhof Halensee wurde mit gutem Gewinn parzellenweise veräußert,

 

Ende 1888 besaß die Gesellschaft noch 1.492.576 m² Bauland. Ein m² Bauland kostete damals immerhin an die 5,40 Mark.

 

Die Gesellschaft durchlief eine für die Gründerzeit fast typische Entwicklung: im ersten Jahr noch 12 % Dividende; der Gewinn wurde teilweise thesauriert, was sich in steigenden Kursen äußerte. Dann gab es wegen des drastischen Preisverfalls bei Immobilien in Folge des Gründerkraches 12 Jahre lang nichts. Der Kurs sank bis auf 13 % vom Nennwert, um sich dann binnen 10 Jahren wieder auf 145 % zu erholen, als eine wirtschaftliche Besserung eintrat.

 

Nach Verkauf aller Grundstücke und Abschluss der Liquidation erhielten die Aktionäre schließlich noch mehr als das Dreifache des Nennwertes ausbezahlt. Insgesamt wurden 14 Liquidationsraten in Höhe von 1.713 Mark erwirtschaftet. Zumindest in der Rückschau war das Engagement also nicht allzu negativ.

 

Die Hauptversammlung vom 21.11.1892 beschloss die Liquidation der Gesellschaft. Aber erst am 29.04.1907 erfolgte die Aufstellung der Schluss-Bilanz sowie die Löschung der Firma. Durch Beschluss des Handelsregistergerichts vom 04.10.1924 wurde das Verfahren der Liquidation erneut eröffnet; im gleichen Monat wurde die Firma endgültig gelöscht.

 

Der Kurfürstendamm

Bereits im Jahre 1870 entwickelte Carstenn erste Pläne, den alten kurfürstlichen Reitweg zum Schloss Glienicke zu einem Boulevard auszubauen – nach dem Vorbild der Champs-Elysées. Bismarck trieb die Pläne voran und erweiterte den geplanten Straßenquerschnitt von 30 auf 54 Meter. Entstehen sollte ein Gegenbild zu der steinernen Innenstadt Berlins (heute Berlin Mitte um das „Rote Rathaus“) mit repräsentativen Bürgerhäusern, baumbestandenen Straßen und begrünten Schmuckplätzen ... der Kurfürstendamm. Somit ist mit der Gesellschaft und ihrem Aufsichtsrath Johann Anton Wilhelm Carstenn auch die Entstehung des Gebietes Kurfürstendamm, Halensee und Grunewald verbunden, heute die vornehmsten Geschäfts- und Villenviertel Berlins.

 

Die „Berlin-Charlottenburger Bauverein Actien-Gesellschaft“ erwarb das ca. 148 ha große Gelände zwischen der heutigen Leibnitzstraße und dem Grunewald, um hier eine Villenkolonie zu errichten. Das Gelände rund um den S-Bahnhof Halensee wurde mit gutem Gewinn parzellenweise verkauft, sodass im Rahmen der Liquidation die genannten Ausschüttungen erfolgen konnten. Außerdem wurden auch einige Villen errichtet und veräußert.

 

Bismarck setzte sich bereits 1873 für den Ausbau des Boulevards ein. Endgültig realisiert wurden die Pläne dann aber erst viel später in den 1880er Jahren durch den Baumschulenbesitzer John Booth. Die Deutsche Bank hat sich über die Kurfürstendamm-Aktiengesellschaft an der Erschließung und den Bau des Kurfürstendamms maßgeblich beteiligt. Die Bank erwarb im Jahr 1882 ca. 155.000m² Land zum Gesamtpreis von 2 Mio. Mark (Preis pro m² = 13 Mark.) und übertrug das Gelände an die Ku-Damm-AG. Der Grundstückspreis am Kurfürstendamm stieg von 12 Pfennig für den m² Ackerland im Jahre 1861 bis auf 200 Mark, für Eckgrundstücke sogar bis auf 350 Mark im Jahr 1900. In Berlin gab es die ersten „Millionen-Bauern“.

 

Für weitere, ausführliche Informationen empfehle ich das Buch „Der Kurfürstendamm“ (s. u.)

 

Auch bei diesem Engagement achtete Carstenn auf eine optimale Verkehrsanbindung. Das Gelände wurde erschlossen durch die Bahn (Bahnhof Halensee und die Straßenbahn, die damals noch über den ganzen Ku-Damm führte. Außerdem war natürlich auch ein Reitweg angelegt, das letzte Stück führte bis in die 1960er Jahre an der Königsallee in den Grunewald zum Jagdschloss Grunewald.

 

      

Literatur- und Quellennachweis:

 

Glagau, Otto;

Verlag von Paul Frohberg, Leipzig 1876;

Antiquariat Wilhelm Hohmann, Stuttgart 1996 (Reprint);

Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin

 

Gutowski, Vladimir (verantwortlich für den Inhalt);

Auktionshaus Gutowski GmbH (Hrsg. + Verlag);

SUPPES 2005/06 + 2008/09 ff. Bewertungskataloge für Historische Wertpapiere,

 

Lais, Sylvia / Hans-Jürgen Mende (Hrsg.)

Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH / Luisenstädtischer Bildungsverein

Lexikon Berliner Straßennamen

 

Metzger, Karl-Heinz, Ulrich Dunker;

Bezirksamt Wilmersdorf von Berlin aus Anlass der 750-Jahr-Feier Berlin 1987 (Hrsg.);

Sabine Konopka, Verlag für Architektur- und Kunstpublikation, Berlin 1986;

Der Kurfürstendamm - Leben und Mythos des Boulevards in 100 Jahren deutscher Geschichte

 

OpenStreetMap, Link = https://historicmaps.toolforge.org/berlin/

 

Zehrfeld, Axel G.;

Berliner Terraingesellschaften