Baugesellschaft Kaiser Wilhelm-Strasse in Berlin

 

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Die Gesellschaft

Die Gesellschaft wurde am 01.07.1884 gegründet. Zweck war

  1. die Freilegung der Kaiser Wilhelmstrasse sowie die teilweise Verbreiterung der Neuen Friedrichstrasse und der Burgstrasse von der Klosterstrasse bis zur Kalandsgasse in Berlin.
  2. der Erwerb und die Bebauung von Grundstücken, welche an der Kaiser Wilhelmstraße und an den unter 1 gedachten Strassenstrecken belegen sind ... sowie Herstellung aller Einrichtungen und Anlagen, ... namentlich aber die Erfüllung der zwischen der Stadtgemeinde Berlin und der Berliner Handelsgesellschaft am 27.06.1884 geschlossenen Vertrages über die Herstellung der Kaiser Wilhelmstr.
  3. Verwaltung, Nutzung, Vermietung und Verpachtung sowie Wiederveräußerung der zu 2 gedachten Grundstücke.

 

Die einzige Aktienemission aus 1885 wurde im Original von Hr. Kuchenmüller (Vorstand) in Faksimile von Hr. Winterfeldt als Aufsichtsrat unterzeichnet. Hr. Winterfeldt war Geschäftsinhaber der Berliner Handels-Gesellschaft.

 

Bereits 1884 schloss die Stadt Berlin einen städtebaulichen Vertrag mit der Berliner Handelsgesellschaft, um die Arrondierung und Erschließung des Areals durch die neu geplante Kaiser-Wilhelm-Straße zu realisieren. Die kleinen verwinkelten Gassen sollten von der Kaiser-Wilhelm-Brücke bis zur Münz-Straße neu angelegt und verkehrsgerecht gestaltet werden. Die Kaiser-Wilhelm-Straße (heute Karl-Liebknecht-Straße) sollte zu einem gänzlich neuen, ununterbrochenen, repräsentativen Straßenzug im Anschluss an die Straße Unter den Linden ausgebaut werden. Der Vertrag wurde von der Baugesellschaft Kaiser Wilhelm-Strasse mit allen Rechten und Pflichten übernommen.

 

In diesem Vertrag verpflichtete sich die Gesellschaft die innerhalb der neuen Straßenführung liegenden Grundstücke kostenlos an die Stadt Berlin zu übereignen. Das Gleiche galt für die Verbreiterung der Neuen Friedrichstraße. Zusätzlich musste sie die zur Erschließung der bereits bestehenden Straßen notwendigen Grundstücke erwerben und in „würdiger“ Weise bebauen.

 

Die Stadt Berlin musste

- auf ihre Kosten die neue Brücke bis Sommer 1885 über die Spree zwischen Lustgarten und Burgstraße errichten und die sich anschließende Kaiser-Wilhelm-Strasse regulieren, pflastern und kanalisieren;

-  auf ihre Kosten bis Okt. 1887 die Marien-Kirche durch Abbruch der Gebäude an der Papenstraße zwischen dem Neuen Markt und der Klosterstraße freilegen;

-  der Baugesellschaft die alten Straßenzüge an der Königsmauer und des Kleinen Jüdenhofes und die schon vorher von der Stadt erworbenen Terrains in einem Gesamtflächeninhalt von ca. 4.100 m² unentgeltlich übereignen und darüber hinaus eine „bare Subvention“ von 4.500.000 Mark zahlen.

 

Nachdem zu den ursprünglich in Aussicht genommenen Grundstücken noch die Grundstücke Burgstraße 21 und Heilige-Geist-Straße 11 erworben wurden, betrug die von der Gesellschaft erworben Grundstücksfläche 24.787 m², das abgetretene Straßenland ca. 5.200 m², das eigentliche Bauterrain somit 19.587 m².  Im Ganzen sind von der Gesellschaft 37 Häuser neu errichtet und bereits im Sommer 1887 fertiggestellt worden – also in 3 Jahren, in einem sehr dicht besiedelten Areal. Das würde heute Jahrzehnte dauern … bis die Planreife erreicht ist. 

 

1911 besaß die Gesellschaft die folgenden 35 Hausgrundstücke

Burgstraße 21-23,

Heilige Geiststraße 7-11 und 43/44,

Kaiser Wilhelmstraße 1-3, 9, 12, 13, 17, 18, 25-28, 43-49,

Klosterstraße 92, 95-101,

Neue Friedrichstraße 69-77

Am Neuen Markt 8-12,

Münzstraße 14/15 - heute Ecke Rosa-Luxemburg- / Memhardstraße

Spandauer Straße 10/12.

 

Die Grundstücke hatten eine Fläche von 18.784 m² und einen Wert von 9.235.471 Mark.

 

Um die Gesellschaft wurde es um die Jahrhundertwende still, sie litt später unter der Rezession infolge des ersten Weltkrieges. Als die chronische Unterbilanz die Gesellschaft zu erdrücken drohte, beschloss sie 1919 die Liquidation - insgesamt wurden in fünf Raten bis 1922 = 400 % des Aktienkapitals zurückgezahlt.

 

Die Baugesellschaft Kaiser Wilhelm-Strasse wäre eine der bedeutendsten Baugesellschaften für den heutigen Bauhistoriker gewesen, hätte nicht der Zweite Weltkrieg und die darauffolgende Kahlschlagphilosophie in der damaligen DDR in den 50er Jahren fast alles zerstört, was die Gesellschaft zum Beginn des Jahrhunderts geschaffen hatte. Die Kaiser-Wilhelm-Brücke (heute: Karl-Liebknecht-Brücke) ist wohl das einzige Bauwerk der Gesellschaft, das noch heute existiert. Die restlichen Bauten wurden im Krieg zerstört, das gesamte Gebiet wurde neu arrondiert, wobei dies so radikal geschah, dass von der Neuen Friedrichstraße, der Kaiser-Wilhelm-Straße und den meisten anderen, kleinen Straßen nichts mehr übriggeblieben ist. Deutlich breiter und „verkehrsgerechter“ sind die Spandauer Straße sowie die Münzstraße. Die heutige Karl-Liebknecht-Straße verläuft im östlichen Abschnitt einige Dutzend Meter südlich der ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Straße.

 

Bei den heute noch vorhandenen Straßen wurden teilweise nicht nur der Straßenverlauf sondern auch die Hausnummern geändert. So bildet das Areal der Münzstraße 14 / 15 (1880er Jahre) heute die Ecke Rosa-Luxemburg-Straße / Memhardstraße mit einem schicken Plattenbau (Link).

 

Die       Kaiser-Wilhelm-Straße (seit 1887) wurde 1947 umbenannt in

            Liebknechtstraße und 1969 schließlich in

            Karl-Liebknecht-Straße.

 

Die Karl-Liebknecht-Straße diente der DDR als Aufmarschstraße für Demonstrationen auf dem riesigen Marx-Engels-Platz, bestehend aus dem Lustgarten und dem Areal des ehemaligen Berliner Schlosses (Link). Das Schloss wurde zum Ende des Zweiten Weltkriegs teilweise zerstört. Die Schlossruine wurde 1950 gesprengt, obwohl ein Wiederaufbau des Schlosses wohl möglich gewesen wäre.

 

Mitte der 1970er Jahre wurde der Palast der Republik (Link) auf einem Teil des Geländes des ehemaligen Stadtschlosses errichtet. Wegen einer (vordergründigen) Asbestbelastung wurde im Jahr 2006 auch „Erichs Lampenladen“ wieder abgerissen und nach langer, langer Diskussion das Humboldtforum (Link) in den Umrissen des Stadtschlosses mit drei historisierenden Fassaden errichtet. Man sieht, auch Gebäude spielen eine wichtige politische Rolle.

 

 

Literatur- und Quellennachweis

Edition Gauglitz, Calsoverlag, Mehringdamm 57, 10961 Berlin

Berlin, Vier Stadtpläne 1742, 1875, 1932, 2017 + 1840, 1953, 1988, 1950

 

Gottschalk, Wolfgang (Hrsg.)

Argon Verlag GmbH, Potsdamer Straße 77-87, Berlin

Das große Berlin – Max Missmann, Photographien 1899-1935

 

Jahrbücher der Berliner Börse 1890 und 1912 (Google)

 

Lais, Sylvia / Hans-Jürgen Mende (Hrsg.)

Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH / Luisenstädtischer Bildungsverein e.V.

Lexikon Berliner Straßennamen

 

Landesarchiv Berlin und Beuth Hochschule

HistoMap Berlin, histomapberlin.de