Tattersall am Kurfürstendamm-AG - Die Gesellschaft

weitere Informationen

 

Link zurück zur Hauptseite

Link zu verschiedenen Stadt- und Lagepländen sowie Bildern

 

 

Geschichte - vom Landleben zur Flaniermeile

 

Julius Stinde in seinem Roman „Die Familie Buchholz - aus dem Leben der Hauptstadt“, 1885:

„Es läßt sich ja leider nicht leugnen, daß der Kurfürstendamm dort, wo die Häuser aufhören, ziemlich versandet ist und sein Staub eine ganz besondere Flugkraft entwickelt...

Wie lange wird es dauern, bis der Kurfürstendamm ganz bebaut ist? Dann erstreckt Berlin sich bis an den Grunewald, der Zoologische Garten liegt mitten in der Stadt, der Halensee stellt dann dasselbe vor, was jetzt der Goldfischteich ist und der Grunewald selbst wird zum Tiergarten“

 

Nur der (damalige, vor 1920) Berliner Teil des Kurfürstendamms Haus-Nrn, 1 – 9 und 238 – 264, der heutigen Budapester Straße, war zu diesem Zeitpunkt bebaut (Link). Ansonsten gab es weit zurückgesetzte, einzelne Villen, eine Baumschule, weite Felder und Wiesen, Spargelbeete in Halensee.

 

Im Jahre 1888 ließ sich der Kaufmann Hugo Raussendorff eine große Villa und ein Stallgebäude auf seinem Grundstück am Kurfürstendamm 206/207 (damals noch Hausnummer 92) zwischen Uhlandstraße und Knesebeckstraße durch den Architekten Hans Grisebach errichten. Die Villa Raussendorff, ein aufwendiger, schlossartiger Bau in Form deutscher Renaissance, lag auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks, mitten in einem großen Park. Hugo Raussendorff starb im Jahre 1908. Er hatte Haus und Grundstück der Stadt Charlottenburg zum Zwecke einer wohltätigen Stiftung vermacht. Im Jahre 1911 zeigte die japanische Botschaft Interesse an der Villa, sagte aber schließlich doch wieder ab, weil „die Lage, zwischen Uhland- und Knesebeckstraße, zu weit von der Gegend entfernt sei, in der sie eigentlich suchte“.

 

In dem Garten wurde später eine Gaststätte und seit 1913 ein Garten-Kinomatographen-Theater eröffnet. 1922 bis 1924 baute Oskar Kaufmann hier für Max Reinhardt die „Komödie“.

 

Die Villa Raussendorff wurde im zweiten Weltkrieg zerstört, die Ruine Anfang der fünfziger Jahre abgetragen.

Unmittelbar neben der Raussendorffschen Villa, am Kurfürstendamm 206/207 lag seit Mitte der 1880er Jahre die Villa Hirschwald

„auf einem etwa 4 Morgen (ca. 10.000 m²) grossen Grundstück, dessen prächtiger, innerhalb weniger Jahre aus dem Nichts geschaffener Parkbestand die landläufige Meinung von der Unfruchtbarkeit des Berlin umgebenden Geländes einigermassen Lügen straft. Auf dem vorderen Theile des Grundstücks, zunächst der Strasse, ist ein seitlich durch Pergolen abgeschlossener Vorhof gebildet, an dem das Stallgebäude, das Pförtnerhaus usw. ihren Platz erhalten haben; im hinteren Theile ist ein Gewächshaus untergebracht. Die Villa selbst liegt in vornehmer Zurückgezogenheit, rings von Gartenanlagen umgeben, inmitten des Ganzen“. (Deutsche Bauzeitung, 1891)

 

1890 war die Zeit der Villen am Kurfürstendamm vorbei. Die wenigen Villen, die hier entstanden waren, wurden entweder wieder abgerissen oder verschwanden hinter Wohnhäusern, die auf den großen Gartengrundstücken entstanden. Vor allem in den fünfzehn Jahren zwischen 1890 und 1905 wurde der größte Teil des Kurfürstendammes mit durchweg fünfgeschossigen Wohnhäusern bebaut. Bis zur Jahrhundertwende wurde die Bebauung bis zur Fasanenstraße weitergeführt, 1905 war man etwa an der Wilmersdorfer Straße angelangt. In die gerade fertiggestellten, noch feuchten Neubauwohnungen zogen häufig erst „Trockenmieter“ ein, bevor dann die hochherrschaftlichen Bewohner von dem Besitz ergriffen, was für sie gebaut war.  

 

Im Jahre 1905 zog die „Berliner Secession“ von der Kantstraße an den Kurfürstendamm 208/209.

„Das neue Gebäude gehört der Gesellschaft mit beschränkter Haftung „Ausstellungshaus am Kurfürstendamm“ und soll in Zukunft dazu dienen, die Vorführungen der Berliner Secession, deren altes Haus bereits vom Erdboden verschwunden ist, aufzunehmen. Der Erbauer ist Bruno Jautschus, ein junger Architekt aus der Schule des Berliner Baurats Ludwig Hoffmann. Er hat die Aufgabe, trotz eines wenig günstigen Terrains, ausgezeichnet gelöst. Das Haus liegt mitten zwischen den prunkenden Fassaden der endlosen Prachtstraße Kurfürstendamm; der Architekt hat es dieser Umgebung geschickt entrückt, indem er vor die Front einen von Arkaden umschlossenen Hof legte, den links ein für Restaurationszwecke vorgesehenes Gebäude begrenzt. Dem Eingang zu diesem Hof gegenüber liegt das im allerschlichtesten Barockstil gehaltene Ausstellungshaus. Es enthält, als Zentralanlage gedacht, acht mäßig große Säle, die symmetrisch einen sehr großen Mittelraum umschließen. Dieser Raum und die vier Ecksäle sind annähernd quadratisch mit abgestumpften Ecken, die anderen Säle oblong (länglich, rechteckig). Die Wände sind teils mit Stoffen in gebrochenen Farben bekleidet, teils weiß gehalten und ganz vorzüglich beleuchtet. Den Boden decken schwarze Kokosmatten. Man hat den Eindruck, daß hier mit den einfachsten Mitteln etwas Ausgezeichnetes, in seiner Art Mustergültiges von dem Architekten geleistet worden ist“. (Rosenhagen 1904/05)

 

Der Haupteingang vom Kurfürstendamm her war in einer geschwungenen Barockform als Mittelrisalit betont und trug auf dem flachen Dach steinerne Vasen. Im Obergeschoß befand sich ein Restaurant-Café - zunächst „Café Kutschera“, später „Café Rumpelmayer“.

Um während der Wintermonate in den Ausstellungsräumen Theatervorstellungen veranstalten zu können, wurde 1907/1908 ein einfaches Theater eingebaut. Dieses Theater wurde im großen Saal untergebracht und war denkbar schlicht gehalten. Die Bühne bestand aus einem Podium mit Vorhang. 1921 wurde das Secessionsgebäude nach Plänen von Oskar Kaufmann in ein Theater umgebaut und am 08.10.1921 als „Theater am Kurfürstendamm“ mit „Ingeborg“ von Kurt Götz (später Curt Goetz) eingeweiht. Natürlich wollte man sich mit der Namensgebung den guten Ruf des Kurfürstendamms zunutze machen und spekulierte auf ein gehobenes Boulevard-Theater-Publikum. Herbert Ihering, ein engagierter Theaterkritiker und Dramaturg, nannte es „das Hoftheater der Revolutionsgewinnler“. Das Haus wurde im Jahre 1928 abgebrochen und nach zwei Jahren als „Theater am Kurfürstendamm“ neu errichtet.

 

Unter Max Reinhardts Regie stand auch die benachbarte „Komödie“, Kurfürstendamm 206/207, die am 01.11.1924 mit Goldonis „Diener zweier Herren“ eröffnet wurde. Oskar Kaufmann war der wichtigste Berliner Repräsentant des modernen Theaterbaus der zwanziger Jahre. Sein in rokokohaftem, leichten Stil gebautes Haus der Komödie wurde von der zeitgenössischen Architekturkritik begeistert aufgenommen.

 

Im Krieg wurden die beiden Theater stark zerstört. In der „Komödie“ begannen jedoch sofort nach dem Kriegsende die Aufräumungsarbeiten und der Wiederaufbau unter der Leitung des Architekten Demmer. Am 26. März 1946 nahm das Theater mit „Kabale und Liebe“ seinen Spielbetrieb wieder auf. Ein Jahr später, am 17. Dezember 1947 eröffnete der unmittelbare Nachbar der „Komödie“, das „Theater am Kurfürstendamm“ mit dem „Sommernachtstraum“ von Shakespeare seine Tore.

 

Literatur- und Quellennachweis:

  

Benecke & Rehse, Aktien-Gesellschaft für Historische Wertpapiere, Wertpapierantiquariat

Verschiedene Verkaufskataloge

 

Gutowski, Vladimir (verantwortlich für den Inhalt); Auktionshaus Gutowski GmbH (Hrsg. + Verlag), verschiedene Autkionskqataloge, SUPPES 2008/09 ff. Bewertungskataloge für Historische Wertpapiere, Deutschland vor / nach1945

SUPPES Special, Übersicht aller im Reichsbank-Schatz vorhandenen Papiere

 

Metzger, Karl-Heinz, Ulrich Dunker;

Bezirksamt Wilmersdorf von Berlin aus Anlass der 750-Jahr-Feier Berlin 1987 (Hrsg.);

 

Sabine Konopka, Verlag für Architektur- und Kunstpublikation, Berlin 1986

Der Kurfürstendamm - Leben und Mythos des Boulevards in 100 Jahren deutscher Geschichte