Westliche Boden-Aktiengesellschaft zu Berlin

Beschreibung der Gesellschaft

Die Gesellschaft wurde am 08.12.1902 mit einem Kapital von 6,5 Mio. Mark gegründet. Milbegründerin war die Neue Boden Aktiengesellschaft zu Berlin. Bereits im August 1903 wurde das Kapital um 6 Mio. Mark erhöht, um die Grundstücke zu erwerben, die einst der Familie Blisse gehörten (siehe weiter unten).

 

Zweck war der Erwerb und die Verwertung von Liegenschaften aller Art, insbesondere in Berlin und dessen westlichen Vororten

 

Die Gesellschaft übernahm bei ihrer Gründung die noch verbliebenen Grundstücke der Berlin-Wilmersdorfer Terraingesellschaft i.L. (Link),

          die an der Uhland-, Pfalzburger-, Nassauische-, Düsseldorfer-, Preussische-, Güntzel- und Lauenburger Strasse in Wilmersdorf –

          rd. 60.000 m² Bau- und Vorgartenland und ca. 1.000 m² freizulegendes Straßenland

 

Weiter wurden von der Neuen Boden-AG (Link)zwei Terrains eingebracht:

-     das 46.551 m² Areal am

Kurfürstendamm Ecke Brandenburgische- bzw. Paulsborner-, Eisenzahn- und Albrecht-Achillesstrasse –

mit Übernahme eines Hypothekendarlehens von 1,3 Mio. Mark

-     das andere von 48.539 m² am entstehenden

Hohenzollerndamm (Preussische Straße) zwischen Siegmaringer-, Gieseler-, Sächsische, Wegener- und Pommersche Straße-

mit Übernahme eines Hypothekendarlehens von 1,438 Mio. Mark

         

Bei den Grundstücken an der Uhlandstraße wurden lediglich die Erschließungsarbeiten durchgeführt; in den anderen Fällen ist die übliche Parzellierung bis zur Baureife vorgenommen worden.

 

Schließlich erwarb die Gesellschaft sechs Monate nach ihrer Gründung von der Dresdner Bank, der Bank für Handel und Industrie und der Berliner Bodengesellschaft ein Terrain im Wert von 9,1 Mio Mark und einer Größe von 28.127 m² am

          Hohenzollerndamm zwischen Fehrbelliner Platz und der Berliner Straße,

welches einst der Gutsbesitzer-Familie Blisse (s.u.) gehörte. Zu diesem Zweck wurde die Kapitalerhöhung im August 1903 durchgeführt.

 

Im Jahre 1903 wurde ein großes Grundstück am Hohenzollerndamm an die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (später BfA, jetzt DRV) veräußert. Auf dem Grundstück befindet sich heute die Zentrale der DRV.

 

In den nächsten Jahren konnten die Parzellen ziemlich rasch abgestoßen werden, so dass die Gesellschaft per Ultimo 1906 über genügend liquide Mittel verfügte, um eine erste Liquidationsrate auszuschütten.

 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Bebauung rund um den Lietzensee von insgesamt vier Gesellschaften realisiert:

  1. Terrain-Aktiengesellschaft Park Witzleben (siehe dort, Pläne und Bilder der Bebauung)

2,1   Neue Boden-Aktiengesellschaft (Link)

2,2   Westliche Boden-Aktiengesellschaft (Link, Tochter der Neuen Boden)

3      Neu-Westend Aktiengesellschaft für Grundstücksverwertung

 

Der westliche Teil des Lietzensees wurde allein von der Terrain-Aktiengesellschaft Park Witzleben bebaut; der östliche Teil bis hin zur Windscheidtstraße von den drei anderen Gesellschaften.

 

Der Vertrieb der Immobilien wurde ursprünglich von der Terrain-AG Park Witzleben (westlicher Teil) sowie der Westlichen Boden-AG (östlicher Teil), später allein von der Terrain-AG Park Witzleben organisiert.



Warum trotzdem in der Generalversammlung am 15.05.1906 die Auflösung der Gesellschaft beschloss ist unklar. In den darauf folgenden Jahren wurden noch diverse Geschäfte getätigt, mit der Stadtgemeinde Wilmersdorf wurde über die Arrondierung des Geländes gestritten, diverse Grundstücke wurden veräußert. Der Kurs der Aktie ging in den Jahren 1903 von 128 % kontinuierlich zurück auf nur noch 54 % im Jahre 1913, eine Dividende von 4 % wurde ausgeschüttet ... aber nur im Jahr 1903. Sehr gewinnbringend waren die Geschäfte also nicht. Allerdings wurden dann doch noch mehrere Liquidationsraten von der Westlichen Boden-AG in Liqu. gezahlt:

01.08.1907                      150,00               Mark

21.09.1908                      300,00               Mark

01.07.1911                      100,00               Mark

15.08.1913                      100,00          Mark und schließlich

26.05.1923  535 %        5.350,00               Mark

Die letzte Liquidationsrate wurde allerdings auf dem Höhepunkt der Inflation ausgezahlt. Im Juli 1923 stand der Dollar bei 760.000,00 Mark.

 

Die Handelsgesellschaft für Grundbesitz begab am 31.03.1908 eine Anleihe zu 5 % (Teilschuldverschreibung), die „gedeckt“ war durch eine Grundschuld auf Grundstücken der Westlichen Boden-Aktiengesellschaft in Liquidation zu Berlin, eingeteilt in 7.000 Teilschuldverschreibungen über je 1.000 Mark, rückzahlbar mit einem Zuschlag von 2%. Die Anleihe diente der weiteren Erschließung der Liegenschaften der Westlichen Boden AG i. Liqu. und zu Ausschüttungen an die Aktionäre (!!).

 

Im Jahr 1910 gehörten der Gesellschaft noch Terrains mit einer Größe von über 122.000 m² in Deutsch-Wilmersdorf, am Ku-Damm, der Uhlandstraße und dem Hohenzollerndamm. Der Wert dieser Griundstücke lag bei 7,8 Mio Mark.

 

Erst in der GV vom 16.06.1924 (!!) wurde die Schlussbilanz vorgelegt und die Gesellschaft am 28.06.1924 gelöscht. Nach einer amtlichen Bekanntmachung vom Mai 1925 ist die Gesellschaft wiederum in Liquidationszustand getreten. Das Gesamtbild der Liquidations-Entwicklung Ende Oktober 1929 ergab, dass den Verbindlichkeiten von rund 249.000,00 RM nur ein voraussichtliches Vermögen von ca. 181.000,00 RM gegenüber stand. Wiederholte Verhandlungen mit den Aufwertungsgläubigern zwecks weiterer Abwicklung der Geschäfte haben sich zerschlagen. In Anbetracht der drohenden Überschuldung der Gesellschaft beschloss die GV vom 06.12.1929 die Beantragung des Konkurses; das Verfahren wurde am 20.12.1929 eröffnet. Nach Mitteilung des Konkursverwalters vom Dezember 1932 sind bis dahin 14 % auf die vorrechtslosen Forderungen zur Ausschüttung gelangt. Die Höhe der endgültigen Konkursquote und der Zeitpunkt der Beendigung des Konkursverfahrens konnte infolge nach lang andauernder Aufwertungsprozesse nicht angegeben werden.

 

Im Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften von 1943 ist die Gesellschaft dann tatsächlich nicht mehr aufgeführt.

 

 

Wilmersdorf

Wilmersdorf gehörte bis Anfang 1907 als selbständiger Stadtkreis zum Kreis Teltow. „Deutsch-Wilmersdorf“ erhielt am 01.04.1907 die Stadtrechte.

 

Durch das Gesetz vom 27.04.1920 wurde die „Gemeinde Wilmersdorf“ mit den Landgemeinden bzw. Gurtsbezirken

Schmargendorf, Grunewald sowie die Stadt Wilmersdorf mit immerhin 157.944 Einwohnern in die neue Stadtgemeinde Berlin integriert.

 

Der Millionen-Bauer Christian Blisse

Christian Blisse (* 29.01.1823 in Wilmersdorf † 30.12.1905 ebenda) war ein reicher Bauerngutsbesitzer, dann Rentier und Patronatsältester in Wilmersdorf Bei Berlin.

 

Durch den Bedarf an Bauland für die wachsende Stadt Berlin gelangten viele Bauern im Umland zu Vermögen. Da Blisse mit dem Landverkauf länger wartete als andere Bauern, wurde er sehr reich und gehörte damit zu den sogenannten Millionenbauern was ihm den Spitznamen „Millionen-Blisse“ einbrachte. Er war verheiratet mit Auguste Schierjott. Das Ehepaar blieb kinderlos, zog aber eine Pflegetochter groß.

 

Blisse vererbte der Stadt drei Millionen Mark für ein evangelisches Waisenhaus, dessen Bau 1908 begonnen wurde und 1911 als Christian und Auguste-Blisse-Stiftung an der Wilhelmsaue im Zentrum des Dorfes Wilmersdorf, auf dem Grundstück des ehemaligen Stammgutes der Blisses eröffnet wurde. Heute wird in diesem Haus ein Kinderhort betrieben.

 

Blisse war Inhaber des Kronenordens 4. Klasse. Die Grabstätte der Eheleute auf dem Friedoh Wilmersdorf wird als Ehrengrab des Landes Berlin geführt.

 

Durch die ehemaligen Felder der Familie führt in Wilmersdorf die Blissestraße, die seit 1947 den Namen des Ehepaares trägt. Nach dieser Straße erhielt auch der hier im Jahr 1971 eröffnete U-Bahnhof Blissestraße der Linie U7 seinen Namen.

 

 

Literatur- und Quellennachweis:

 

Bogon, Winfried

(digitaler Reprint November 2005, 2008 - Verlag für digitale Publikationen)

Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften, 1914/15 + 1925 + 1932 + 1943

 

Gutowski, Vladimir (verantwortlich für den Inhalt);

Auktionshaus Gutowski GmbH (Hrsg. + Verlag);

SUPPES 2005/06 + 2008/09 ff. Bewertungskataloge für Historische Wertpapiere, Deutschland

SUPPES Special, Übersicht aller im Reichsbank-Schatz vorhandenen Papiere

 

Peus, Dr. Busso (Hrsg.)

Der Reichsbankschatz, Auktionskataloge Nr. 1 bis 5 aus 2003, 2004/2005, 2006, 2008

 

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