Neu-Westend Aktien-Gesellschaft für Grundstücksverwertung
Die Gesellschaft
Die Gesellschaft wurde am 23.11.1903 u.a. von der Deutschen Bank und Herrn Alfred Schrobsdorff gegründet. Wie bei der Terraingesellschaft am Stadtbahnhof Charlottenburg (Link) unterschrieb Herr Schrobsdorff die Aktie als Vorstand. Die Gesellschaft domilizierte gem. dem Bauschild am Reichskanzlerplatz (siehe Abb. auf der nächsten Seite - Link) ursprünglich noch am Stuttgarter Platz 15, im Haus von Herrn Schrobsdorff. Erst päter verlegte man den Sitz der Gesellschaft zur Klaus-Groth-Straße 11 in Westend.
Zweck war der Erwerb von Grundstücken, welche die Deutsche Bank von verschiedenen Besitzern in Charlottenburg zwischen dem Königsweg und der Berlin-Hamburger Anschlussbahn in Erwartung der Errichtung der Gesellschaft für diese angekauft hat; Verwertung und Ausnutzung dieser und anderer noch zu erwerbenden Grundstücke in jeder Art, namentlich auch durch Herstellung von Strassen, Plätzen, Baulichkeiten und sonstigen Anlagen, ferner die Wiederveräußerung im ganzen oder in Parzellen, Aufnahme und Gewährung von hypoth. Darlehen, sowie die Beteiligung an anderen die Erreichung des Gesellschaftszweckes fördernden Unternehmungen.
Die Deutsche Bank hatte die Unternehmung soweit vorbereitet, dass die Grundstücks-Gesellschaft sofort zur Verwertung schreiten konnte; der Bank waren bis Ende 1903 immerhin 5,6 Mio. Mark Auslagen und Kosten erwachsen, die von der Gesellschaft zurückvergütet wurden. Das war damals viel, viel Geld.
Die Neu-Westend AG besaß somit am Westrand der damals noch nicht zu Berlin gehörenden Stadt Charlottenburg am
Reichskanzler Platz (heute: Theodor-Heuss-Platz),
teils auch über Optionen (Grundstücke der Schäffer-Voitschen Erben), insgesamt 134,5 ha Grundstücke, von denen rund ein Drittel auf die Anlage von Straßen vorgesehen waren. Das Gebiet wurde parzelliert und als baureife Grundstücke veräußert. Dieser Verkauf gestaltete sich als sehr lukrativ, die Aktien notierten schon vier Jahre später mit dem doppelten des Nennwertes. Die erschlossenen Terrains wurden entlang der Reichsstraße mit Miethäusern bebaut, wogegen auf dem Gebiet zwischen Platanenallee und Spandauer Chaussee (heute: Spandauer Damm) großzügige Villen und Landhäuser entstanden. Diese Gegend gilt für Charlottenburger Verhältnisse als eine der feinsten Adressen.
1907 kaufte die Neu-Westend AG zusammen mit der
Neuen Boden-AG zu Berlin (Link) als Konsorten benachbarte Grundstücke zur
Terrain-AG Park Witzleben (Link)
östlich des Lietzensees (Link zu Google Maps). Der Grundstückskomplex mit einer Größe von rd. 150.000 m² wurde zu einem Preis von 6 Mio. Mark erworben. Davon entfielen 60 % auf die Neu-Westend AG. Der Vertrieb der Immobilien erfolgte ursprünglich auch durch die Westliche Boden AG (Link), später allein durch die Terrain-AG Park Witzleben. Allerdings wurde von den Flächen der Neu-Westend-AG bis 1914 nichts verkauft.
Ungünstig beeinflusst wurden die Geschäfte der Gesellschaft in der Folge durch die Wertzuwachssteuer. Die Hauptversammlung von 1918 beschloss die Gesellschaft zu liquidieren, es hatte sich immerhin ein Gewinnvortrag von 13,6 Mio. Mark angesammelt. Die Ausschüttungen/Liquidationsraten lagen bis 1923 bei über 2.500 Mark pro Aktie und damit um mehr als das Doppelte über dem Nennwert; auch zu RM-Zeiten wurden noch 360 RM pro Aktie ausgezahlt. Alles in allem, ein erfolgreiches Investment – nicht unbedingt selbstverständlich zur damaligen Zeit.
Im Juli 1942 besaß die Gesellschaft noch Grundstücke in einer Größe von 51.654 qm, sie lagen im Westen Berlins in der Gegend des U-Bahnhofs Neu-Westend, östlich des Lietzensees.
Die Gesellschaft wurde erst im April 1957 tatsächlich gelöscht. Es gab keine Schlussausschüttung.
Der Theodor-Heuss-Platz, ehem. Reichskanzlerplatz
Als „Platz B“ erschien das Areal im Jahr 1902 das erste Mal in den Bauakten.
Seit seinen Kindertagen wurde der Platz nicht nur mit wechselnden Namen bedacht, er wurde auch zum Spielball der Städteplaner. Der kleine Rundplatz erwies sich als überholt, sobald die Verlängerung der Kantstraße (Masurenallee) und der Ausbau der Bismarckstraße – bis dahin ein 25 Meter breiter Reitweg – zum Truppenübungsplatz Döberitz. Form annahm. Wo sich heute täglich Zehntausende Autos drängen, befand sich damals die erst 1868 erschlossenen Villen-Kolonie Westend. Dort fand die Bautätigkeit nach 1900 ihren Abschluss, Neu Westend folgte bis zum Ersten Weltkrieg.
Die Architekten taten sich schwer mit dem Reißbrettprodukt. Auf der einen Hektar großen Rodung legte man ein schmuckloses Oval mit Bäumchen und Blumenrabatten an. 1907 weihte der Kaiser höchstpersönlich den noch „jwd“ (janz weit draußen) gelegenen späteren Verkehrsknotenpunkt ein. Ein Jahr darauf, am 29.03.1908 hielten die ersten Züge an der Endstation der ersten West-Erweiterung der U-Bahn-Stammstrecke 1.
Im Jahr 1924 lief der erste Wettbewerb einer bis heute nicht beendeten Reihe an. Der Platz bekam eine Rasenmitte und einen umlaufenden Weg. Die Südseite wurde 1930 bebaut. 1933 ereilte den Platz die erste Umbenennung in „Adolf-Hitler-Platz“. ‚Weiteren großen Plänen setzte der Krieg ein Ende – vom Forum der deutsch-italienischen Freundschaft mit einem 40 Meter hohen Mussolini-Denkmal wurde nur das Wasserbecken gebaut.
1953 erstand die Kreisanlage zum neuem Leben, bevor ein Jahrzehnt später der Name des ersten deutschen Bundespräsidenten „verliehen“ wurde – damals eine umstrittene Maßnahme. Gestritten wurde aber jahrelang vor allem über seinen Zustand, bis das Bezirksamt 1984 für fast 2 Mio. DM einen gestalterischen Schlussstrich zog
Der Platz ist hat auch heute noch nicht so die richtige „Aufenthaltsqualität“ – was im Hinblick auf die vielen Hauptstraßen, die auf den Platz münden auch kein Wunder ist. Das Schönste sind für mich zwei Skulpturen von Rainer Kriester (eine seiner Skulpturen steht übrigens auch vor dem Kanzleramt). Aber ein paar Meter weiter in die Straßen hinein findet man ruhige Wohnstraßen mit weiterhin bevorzugten Wohnlagen – heute nicht mir jwd
Literatur- und Quellennachweis
Berliner Morgenpost vom 29.03.1988
Bogon, Winfried
(digitaler Reprint November 2005, 2008 - Verlag für digitale Publikationen)
Handbuch der Deutschen Aktiengesellschaften, 1914/15 + 1925 + 1932 + 1943
Landesarchiv Berlin und Beuth Hochschule
Histo Map Berlin
240
Landesbildstelle Berlin (Hrsg.)
Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin
BERLIN Photographien von Waldemar Titzenthaler
Peus, Dr. Busso (Hrsg.)
Der Reichsbankschatz, Auktionskataloge Nr. 1 bis 5 aus 2003, 2004/2005, 2006, 2008
300
Pharus-Pläne, Nachdrucke
Scharnhorststraße 25, 10115 Berlin – Webseite www.pharus.eu
Zehrfeld, Axel G.;
Berliner Terraingesellschaften
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