Actien-Bau-Gesellschaft Ostend

Stahnsdorfer Terrain-Aktiengesellschaft am Teltowkanal

Beschreibung der Gesellschaft

 

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Link zu verschiedenen Stadt- und Lagepländen sowie Bildern

 

 

Die Gründung der Gesellschaft erfolgte am 05.10.1872 …

 

… unter der „tätigen Mithilfe“ der

-  Central-Bank für Bauten (Link) bzw. Herrn Eduard Mamroth s.a.

-  "City" Actien-Baugesellschaft (Link).

Das war für Otto Glagau Grund genug, in seinem Buch „Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin“ auf die Anlage-Risiken bei diesen Gesellschaften hinzuweisen.

 

Tatsächlich sackte auch der Kurs der "Ostend" massiv ab. Später hat sich der Aktienkurs wieder erholt und bis 1907 wurden sogar Dividenden ausgeschüttet. Die „Ostend“ überlebte und hat das erste Objekt in der Nähe von Köpenick so erfolgreich zum Ende gebracht, dass noch ein zweites großes Baufeld in Stahnsdorf bei Berlin begonnen und erfolgreich beendet werden konnte. Es gab damals schlechtere Anlagemöglichkeiten.

 

Zweck war der Erwerb, die Parzellierung, Bebauung, Veräußerung und sonstige Verwertung von Grundstücken sowie die Übernahme und Ausführung von Bauunternehmungen und die Gewährung von Darlehen gegen Hypothekarische Sicherheiten. Die Gesellschaft durfte sich auch an anderen industriellen oder Handelsunternehmungen, die gleichartige oder ähnliche Zwecke verfolgten, in jeder Rechtsform beteiligen und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte abschließen, insbesondere die sich daraus ergebenden finanziellen Transaktionen durchführen.

 

Das erste Bauprojekt in Oberschöneweide bei Köpenick

 

Die Gesellschaft parzellierte ein ca. 15 ha großes Terrain in der damals noch sehr kleinen Landgemeinde Oberschöneweide in der Nähe von Köpenick. Dieses wurde mit Villen und Einfamilienhäusern bebaut. Zu diesem Zweck betrieb die Gesellschaft eine Ringofenziegelei in Fürstenwalde. Die Käufer der Häuser waren in vielen Fällen Aktionäre der Gesellschaft, die ihre Villen bis 1877 mit den zuvor von ihnen erworbenen Aktien bezahlten. Das Terrain wurde somit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verkauft. Trotz der neuen Einwohner zählte die Gemeinde Ende 1897 erst 626 Einwohner.

 

Von der ursprünglichen Bebauung der „Ostend“ ist heute nichts mehr zu sehen. Das Versprechen im Verkaufsprospekt (siehe weiter unten):

„ländliche Sommersitz gewahrt, weil hier Fabriken und Gewerbe, die mit Dampfkraft betrieben werden, oder bei denen Exhalationen stattfinden, für den Anbau ausgeschlossen sind“

konnte nicht eingehalten werden. Die spätere Bebauung insbsondere der Grundstücke am Wasser mit Fabriken war in den 1870er Jahren noch nicht abzusehen. Sie wurde erst Ende der 1880er Jahre durch den Vorsitzenden der Terraingesellschaft Oberschöneweide an der Oberspree GmbH (Link zur Gesellschaft)  und späteren Gemeindevorsteher der neuen Landgemeinde, Carl Deul beeinflusst.

 

Die Flächen wurden nach dieser Planung  um die Jahrhundertwende mit Wohnungen aber auch Industrieunternehmen bebaut. So bauten Siemens sowie die AEG bzw. Emil Rathenau (der Vater von Walther Rathenau) hier ihre Werke – und zwar, wie bei derartigen Industrieanlagen damals üblich, direkt an der Spree. Nicht auszuschließen ist, dass für diese und zukünftigen Industrie-Ansiedlungen auch Gebäude abgerissen wurden, die erst ein paar Jahre zuvor von der „Ostend“ errichtet wurden.

 

In der Folgezeit zogen zahlreiche Unternehmen der Elektro-Großindustrie, darunter das “Kabelwerk Oberspree”, die “Akkumulatorenwerke Oberschöneweide”, die “Deutschen Nileswerke” und die “Nationale Automobilgesellschaft” tausende von Arbeitern an, so dass sich die Bevölkerungszahl in wenigen Jahren verzehnfachte. Oberschöneweide entwickelte sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem wichtigen Zentrum der Elektroindustrie Berlins.

 

Heute sind in dem ursprünglichen Gewerbegebiet ein Technologie und Gründerzentrum sowie die Hochschule für Technik und Wirtschaft angesiedelt. An die Gesellschaft bzw. die von ihr errichtete Villenkolonie erinnert immer noch die Ostendstraße, die ihren Namen letztlich der Gesellschaft verdankt. Zumindest sind durch diese Umnutzung nach rund 140 Jahren die Aussagen aus dem ursprünglichen Verkaufsprospekten wieder  in Erfüllung gegangen. Hinzu kommt, dass das gesamte Areal in den letzten Jahren umfassend saniert wurde.

 

 

Das zweite große Bauprojekt in Stahnsdorf, süd-westlich Berlins

 

Kurz nach der Jahrhundertwende (1903 bis 1905) erwarb die Gesellschaft von der „Terrain-Gesellschaft Stahnsdorf GmbH“ in zwei Schritten eine an den Teltowkanal, den Centralfriedhof Südwest und die Königliche Parforce-Jagdheide angrenzende Fläche von mit  270 ha - fast die Hälfte der Fläche des heutigen Ortes Stahnsdorf. Gebaut wurden auch hier Ein- und Mehrfamilienhäuser sowie Villen im für die damalige Zeit typischen Siedlungsstil.

 

Die Gesellschaft  firmierte am 26.02.1907 in „Stahnsdorfer Terrain-AG am Teltowkanal“ um.

 

Die vollständige Eröffnung des Teltowkanals 1906 (Link) sowie die projektierte Bahn Wannsee – Centralfriedhof und die Verlängerung der Straßenbahn Groß-Lichterfelde – Lichterfelde-Ost - Klein-Machnow (s.a. Lichterfelder Bau-Verein Actien-GesellschaftLink zur Gesellschaft) zum Centralfriedhof schuf die perfekte Verkehrsanbindung an Berlin, die Grundstücke verkauften sich deshalb gut und waren 1923 restlos verwertet. 1925 scheiterte ein Antrag auf Auflösung der AG am Widerstand des Großaktionärs, der Industrie- und Privatbank (Michael-Konzern). Ein Ende der 20er Jahre geplante Kapitalerhöhung zum Erweb neuer Terrains in Stahnsdorf kam im Strudel der Weltwirtschaftskrise nicht mehr zur Durchführung.

 

 

Die „Ostend“ ist eine der wenigen Terraingesellschaften, die nach schweren Blessuren (tiefster Kurs 4 %) den Gründerkrach dann doch überlebte und als Teil des Michael-Konzerns bis in die 40er Jahre des 20. Jahrhunderts aktiv war.

 

Im Handbuch der deutschen Aktiengesellschaften 1943 ist die Gesellschaft nicht mehr aufgeführt.

 

 

Abschrift: Anzeige Berliner Adressbuch (aus 1874)

 

Bauterrain „Ostend“

Wer friedliche, liebliche Stätten im schattigen Walde, am belebenden Wasser und dennoch in absoluter Nähe Berlin´s gelegen, sucht, um in angenehmer, ländlicher Umgebung seinen Sommersitz zu errichten, von dem er jederzeit in leichter Weise selbst bis in das Herz der Grossstadt Berlin gelangen kann, dem sei vor Allem das Bauterrain “Ostend“ empfohlen, welches noch im weiteren Polizeibezirk der Hauptstadt befindlich, sich besonders durch seine malerische Lage ebenso auszeichnet wie durch seine reizende Ufer der Spree, an welche entlang die herrliche Wasserstrasse sich hinzieht, die es mit Berlin verbindet. Der uralte Eichen- und Fichtenwald daselbst ist ein köstlicher, unersetzlicher Schmuck der Waldesnatur, unter dessen kühlem und schattigem Laubdache unser Auge und Herz, Körper und Geist im wirklichen Sinne des Wortes gelabt und erquickt wird.

Somit von der lieben Mutter Natur in Bezug auf Schönheit in einer Weise ausgestattet, wie es in dieser Nähe Berlin´s sich schwerlich wiederfindet, hat daselbst ausserdem Chaussee-Verbindung, die in ebenso lieblichen Waldesgelände die Communication vermittelt. Dabei ist man aber dadurch, dass der Bahnhof mit vollem Tagesdienst (11 Personenzüge täglich) nicht dicht an der Stadt Köpenick, sondern weit von derselben ab nach Berlin, also nach Ostend zu, gelegen ist, in der sehr günstigen Lage, mit Berlin ebenso durch Eisenbahn- als auch durch Dampfschiff-Communication verbunden zu sein. Die Lage selber am Wasser, wie der vorzüglichste Baugrund, bedingt sowohl die bequemste Beschaffung der Baumaterialien, wie die grösste Billigkeit des Bauens, so dass sich hier in der That alle Bedingungen zum leichtesten und vorteilhaftesten Anbau für den angenehmen Aufenthalt in nächster Nähe Berlin´s erfüllt und vereinigt finden. Bei alledem ist durchaus für ewige Zeiten dem Bewohner der leibliche, ländliche Sommersitz gewahrt, weil hier Fabriken und Gewerbe, die mit Dampfkraft betrieben werden, oder bei denen Exhalationen stattfinden, für den Anbau ausgeschlossen sind. Bemerkenswerth ist noch, dass die reichen und anmuthigen Gartenanlagen, die hier Herr Kunstgärtner Benda auf seinem Wohnsitz und in seinen Kunstgärten, grade in der Mitte des Terrains, angelegt hat, dem Ganzen zu einer recht das Auge erfreuenden künstlerischen Zierde dienen, und es ist somit von selber bedingt, dass auch für die neu anzulegenden Gartenanlagen nach jeder Richtung hin die grössestete Erleichterung sich vorfindet.

Somit wird das Bauterrain „Ostend“, ein noch zur Stadt Berlin gehörigens, am schönsten Laubholz- und Fichtenwalde und den romantischen Ufern der Spree gelegenes Villen- und Wohnterrain sein, das dem Publikum, welches durch das Bureau der Actien-Bau-Gesellschaft „Ostend“, Annen-Strasse No. 25 Näheres erfahren kann, bestens zu empfehlen ist.

 

Link zum Literatur- und Quellennachweis:

 

E. Ewald

 

Glagau, Otto;

Verlag von Paul Frohberg, Leipzig 1876;

Antiquariat Wilhelm Hohmann, Stuttgart 1996 (Reprint);

Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin

 

Gutowski, Vladimir (verantwortlich für den Inhalt);

Auktionshaus Gutowski GmbH (Hrsg. + Verlag);

 

Peus, Dr. Busso (Hrsg.)

Der Reichsbankschatz, Auktionskataloge Nr. 1 bis 5 aus 2003, 2004/2005, 2006, 2008

 

Pharus-Pläne, Nachdrucke

Scharnhorststraße 25, 10115 Berlin – Webseite www.pharus.eu

 

Rach, Hans-Jürgen

Akademie der Wissenschaften der DDR (Herausgeber);

Stapp Verlag, Berlin1988

Die Dörfer in Berlin

 

 

Zehrfeld, Axel G.;

Berliner Terraingesellschaften